Wir sehen Gelb: Belgrad Banja Luka
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Der erste Etappensieg der Saison: Filippo Fortin gewinnt die erste Etappe der Rundfahrt Belgrad Belgrad Banjaluka. Über das Tragen des gelben Trikots, Seitenwinde, Eiscreme im Hotelzimmer und neuen Freundschaften während der Reise durch Serbien lest ihr hier.
Im Radsport gibt es Momente, die für die Ewigkeit gemacht sind. Einen solchen durften wir bei der Rundfahrt durch Serbien und Bosnien Herzegowina erfahren. Unser erster Etappensieg auf der Straße.
1
Paul
„Die erste Etappe: ein 4km Mannschaftszeitfahren mit einem relativ simplen Parcours: eine relativ große Straße mitten in Belgrad hinauf und hinunter, mit zwei Wenden. Unser Warm Up fand direkt an der Strecke statt, jeder brachte seine Ideen ein, unser Plan stand. Daniel startet und bringt uns auf Schwung, danach folgt Philip bis zur ersten Wende. Nach der Wende jeder eine Führung bis zur finalen Wende und von dort aus nochmal Vollgas bis zum Ziel. Erfahrungen von der Bahn lehren: Wechsel kosten Zeit, und bei so einem kurzen Zeitfahren entscheiden nunmal Sekunden.
An der Startlinie merkte man bei jedem die Anspannung, keiner von uns wollte durch einen individuellen Fehler die Teamleistung beeinträchtigen. Die vier Kilometer waren brutal hart und in meiner letzten Führung Richtung Ziel habe ich nichts mehr richtig gefühlt außer unheimlichen Schmerz in den Beinen.“
2
Pippo
„Ich war nach Banjaluka gefahren, um zu gewinnen. Nach dem 5. Platz im Mannschaftszeitfahren habe ich am Telefon zu Liam gesagt: Morgen gewinne ich. Wir sind dann mit der Gewissheit gestartet, dass wir ein gutes Ergebnis erzielen können. Das Rennen war sehr schnell – vielleicht eines der schnellsten des Jahres mit einem Schnitt von 49 km/h – und wir waren den ganzen Tag auf der Hut vor möglichen gefährlichen Ausreißern. Vor der letzten Runde zogen wir an einem Strang, und das Team brachte mich in die bestmögliche Position.
Ich mag diese Art von Zieleinläufe, vielleicht kommt das von meiner Erfahrung mit Fixed Gear Crits. Ich sprang von Rad zu Rad, um in der bestmöglichen Position zu sein und gleichzeitig in Deckung zu bleiben. Ich habe ich einen langen Sprint hingelegt, und am Ende war das der Sieg. Bei der Ankunft habe ich mit all meinen Teamkollegen und Mitarbeitern gejubelt, das war aufregend. Es war mir wichtig, die Mannschaft mit einem Sieg und dem gelben Trikot zu entlasten, auch wenn es leider nur für einen Tag war.
Der Sieg war ein Meilenstein. Denn ich lerne auch, Teamführer zu sein und nicht „nur“ ein Sprinter. Für mich ist das ein wichtiger Schritt in meiner Karriere, den ich immer mit in die Zukunft nehmen werde.“
3
Daniel
„Am dritten Tag waren wir mit Pippo in Gelb. Für mich keine gänzlich neue Situation und ich wusste, was uns erwartet. Bei unserem Riders Meeting haben wir uns bemüht, uns gemeinsam darauf vorzubereiten und eine Taktik erarbeitet. Für Philipp und mich galt es, die ersten 80 km bis zum entschiedenden Berg zu kontrollieren, alle anderen schonen Pippo, um ihm maximalen Support zu geben. Nun ist Pippo eher der Typ Cipollini und kein Kletterer, bei anderer Streckenführung hätte das alles anders ausgesehen. Auf unsere Performance als gesamtführendes Team können wir trotzdem stolz sein.
Ich war kurzfristig eingesprungen – aber dieser Einsatz war pures Gold wert. Unter uns Fahrern war ein latentes Lächeln und dauerhafte Freude an der Sache der ständige Begleiter. Oft saßen wir bis spät abends zusammen und hatten einfach eine gute Zeit. In dieser Konstellation hatten wir genau den Spirit den ein Team braucht um gemeinsam Erfolgreich zu sein. „My team. My crew. My family“ – wir Renner waren ganz, ganz nah dran.”
Der Sieg war ein Meilenstein. Denn ich lerne auch, Teamführer zu sein und nicht „nur“ ein Sprinter. Für mich ist das ein wichtiger Schritt in meiner Karriere, den ich immer mit in die Zukunft nehmen werde.“
4
Patrick
„Nach dem dritten Tag trafen sich Anspruch und Realität. Start in die Rundfahrt mit einem fünften Platz, die zweite Etappe konnten wir mit Pippo gewinnen und ich am Ende der dritten Etappe in die Top 10 vorrücken. Jetzt galt es im vierten Teilstück diese Position zu verteidigen und Pippo heil ins Finale zu bringen.
Auf der weitgehend flachen Etappe rechneten wir fest mit einem Massensprint und versuchten daher, die Etappe bestmöglich zu kontrollieren. Auf breiten, windanfälligen Straßen dauerte es jedoch gute zwei Stunden, bis sich zwei Fahrer absetzen und wir die Zügel im Hauptfeld in die Hände nehmen konnten. Was recht unspektakulär klingt, ist in der Realität jedoch viel anstrengender und nervenraubender – Paul, Phil und Daniel sorgten in dieser ersten Rennphase dafür, dass keine gefährliche Gruppe ohne unsere Anwesenheit davonfahren würde und gaben alles, um uns anderen Fahrern den Rücken freizuhalten.
Überraschend wendete sich das Blatt rund 50 Kilometer vor Ziel. Durch Wind, Stürze und die Interessen anderer Teams, einen Sprint einer großen Gruppe zu verhindern, verabschiedeten wir uns von der kontrollierten Fahrweise. Es war an Felix und mir, die wichtigsten Gruppen zu besetzen und in dieser hektischen Situation die Übersicht zu behalten. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, Blutgeschmack im Mund, hechelnder Atmung und verengten Blickfeld dann der rennentscheidende Moment: es klaffte eine große Lücke zwischen uns Ausreißern und dem Peloton. „Go Patrick, go!“ – ich höre Pippos energische Stimme im Funk und schalte um. Nun gilt es, die Gruppe so gut wie möglich zu unterstützen, ohne jedoch sich selbst ins Aus zu schießen. Die nächsten Kilometer vergehen wie im Flug. Adrenalin im ganzen Körper; Pokerface, wenn es darum geht, sich selbst eine kurze Atempause zu gönnen.
Im Schlusssprint suche ich mir das beste Hinterrad der Gruppe, quetsche jedes bisschen Power aus mir und fahre mit nur Zentimetern Abstand auf den dritten Etappenrang. Voller Glück drehe ich mich um, sehe, wie Pippo auch noch den Sprint aus dem Feld gewinnt und bin glücklich. Es folgen Glückwünsche, herzige Teamatmosphäre, Eis auf dem Hotelzimmer und die Gewissheit, wieder als Team einen großen Schritt gemacht zu haben, bevor uns die harte Radsportwelt abermals überrascht und auf den Boden der Realität zurückholt.“
5
Felix
„Die letzte Etappe war sehr wichtig für uns – sowohl um Patricks Position auf der Gesamtwertung zu halten, als auch um Pippo eine weitere Chance auf einen weiteren Etappensieg zu geben. Vor dem Start war ich mir darüber im Klaren, dass es aufgrund der windigen Bedingungen ein verrückter Renntag werden würde – es bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit für Seitenwinde, die das Rennen hart und chaotisch machen können. Ich wusste, dass ich auf jeden Fall mit Pippo in der Spitzengruppe sein und ihn so gut wie möglich ins Finale bringen musste.
Kurz nach dem Start der Etappe kam es zu einer teilung des Feldes im Seitenwindes, durch einige andere Teams verursacht. Ich hatte Pippo an meinem Rad und glücklicherweise war unsere Reaktionszeit sehr schnell, so dass wir uns bald in der vorderen Gruppe von 30/40 Fahrern wiederfanden. Wir schauten uns sofort um und sahen, dass auch Phillip und Patrick sich in der vorderen Gruppe abgesetzt hatten, was genau unserem Plan entsprach.
Leider verloren wir Patrick im weiteren Verlauf der Etappe bei einem Seitenwindsplit. Unser Hauptaugenmerk lag nun auf dem Endspurt um Pippo. Auf dem Weg ins Finale waren Phillip und ich bereit, Pippo so gut wie möglich zu helfen, doch auf der letzten Runde stürzten Phil und ich aufgrund einer sehr rutschigen Straße. Zum Glück konnte ich wieder aufsteigen und an der Spitze arbeiten, um auf den letzten Kilometern einen frechen Angriff zu starten und Pippo in der letzten Kurve nach vorne zu bringen.
Nach der Etappe war ich etwas verärgert, dass wir nicht das gewünschte Endergebnis erzielen konnten, aber das Glück war nicht zu 100 % auf unserer Seite. Insgesamt bin ich mit der Leistung des Teams während der Tour sehr zufrieden.“
6
Philip
„Nach dem Prolog fand die offizielle Eröffnungsfeier der Rundfahrt statt. Wir hatten viel Spaß dabei. Ich wurde zu unserem Fahnenträger erwählt. Diese Aufgabe habe ich natürlich mit viel Stolz angenommen und wir haben es richtig zelebriert.
An dem Abend begann, was in den kommenden Tagen ein Ritual werden sollte: unser Fahrer Meeting, bei dem wir den vergangenen Tag Revue passieren lassen und die kommende Etappe besprechen – gerne auch mal mit Eis für jeden und einer Runde „Schwachsinnstalk“ im Anschluss. Viel gelacht haben wir auch darüber, wie Paul Rudys seinen neuen Freund Adam Hansen, vormaliger World Tour Fahrer und Rekordhalter der meisten Grand Tours am Stück, gefunden hat – nämlich mit etwas zu viel Tempo drauf, was wir aber nicht weiter vertiefen wollen!
Last but not least: die Unterbringung. Die Zimmersituation konnte mitunter interessant sein, beispielsweise wenn wir zwei Zimmer weniger hatten als geplant. Wir sind alle etwas zusammengerückt und haben es passend gemacht. Zum Leidwesen von einigen hat da schon mal eine Bedecke gefehlt, weshalb improvisiert werden musste.“
Photo
— Miloš Runjić
Photographer