The American Way of Life. Faszination oder unverständlich. Amerika polarisiert, doch für unseren niederbayerischen Pushbiker Wolfgang Brandl steht fest: Er liebt dieses Land. Und er liebt Radsport. Auf seine eigene Art und Weise: als Möglichkeit, die Welt und viele Menschen kennen zu lernen, sich selbst zu fordern, ohne dabei ausschließlich in Kategorien von Leistung und Sieg z zu denken.
Sein Sommer war ein ganz besonderer. Einer, der zeigt, was Radsport alles möglich macht. Was Freiheit bedeuten kann und wie wenig man dafür eigentlich braucht. Ein Road Trip im amerikanischen Westen, über 8.000 Kilometer von Texas über New Mexiko, Arizona, Utah, Nevada, Colorado bis nach Oklahoma. Begleitet und umgeben von Sonnenstrahlen, weiter Landschaft und abgeteilten Radrennstrecken – wenngleich die Radrennen zur Nebensache wurden.
„Ich bin nach Milwaukee geflogen. Ganz zu Beginn der Reise stand tatsächlich die Tour of America`s Dairyland mit insgesamt 11 Renntagen. Noch im Flugzeug wusste ich nicht, wo ich die kommenden zwei Wochen unterkommen werde. Aber da ich dort viele Freunde habe, fand sich jeweils eine tolle Gastfamilie, die mich und mein Fahrrad aufnahmen. Zu den Rennen bin ich mit Licht und Rucksack auf dem Rad, per Anhalter oder mit einem geliehenen Auto gefahren.“
Bei jeder Etappe der Tour fuhr Wolfgang unter die Top 15, in der ersten Woche auch gleich einmal aufs Podium, in der Gesamtwertung Omnium beider Wochen wurde er Sechster. So begann sein amerikanischer Sommer auf dem Rad und im Rennmodus, bevor der eigentliche Road Trip begann. In gewisser Weise erklären diese ersten Tage bereits Wolfgangs Begeisterung für Amerika: „Es ist tatsächlich so, dass in der USA alles möglich ist. Wenn man etwas will, dann kann man es hier machen oder erreichen.“
Vor knapp 20 Jahren schloss Wolfgang als Jugendlicher Freundschaft mit einem Amerikaner geschlossen, dessen Eltern in Hohenfels in der US Army stationiert waren. Als sie wieder in die USA zogen, besuchte er ihn in Colorado Springs. Danach verlief sich der Kontakt. Durch Social Media motiviert, trafen sich die beiden nach 17 Jahren in diesem Sommer erneut in Colorado. „Damals waren wir Teenager, jetzt sind wir Erwachsene“, sagt Wolfgang mit einem Kopfschütteln. Und da ist er wieder, der Aspekt des „alles-is-möglich“. 2016 verbrachte Wolfgang ein halbes Jahr in den USA, fuhr dort mit einem Eliteteam viele Rennen. Seitdem kehrt er jedes Jahr zurück. „Mich faszinieren, die extremen Gegensätze, die das Land, seine Einwohner und die Landschaft kennzeichnen. Und wie schnell man hier Freunde und Bekanntschaften macht, Man kann Amerika einfach nicht mit Deutschland vergleichen.“
10 Wochen
10 Bundesstaaten
5293 Meilen = 8518 Reise-Kilometer
1567 km mit dem Rennrad
21 Straßenrennen & Crits
15 Nationalparks
1 SUV. 2 Menschen. Viele Freunde.
Das Ziel: Amerika erleben
Cut. Von Milwaukee fliegt Wolfgang mit seinem Wiawis Bike nach Dallas und wechselt von der Rennserie zum Road Trip mit seiner Freundin Sydney. Im Ford Edge SUV sind die Räder und Gepäck tagsüber im Kofferraum verstaut, am Abend wird alles auf die Vordersitze geräumt und im Kofferraum auf einer speziellen Matratze geschlafen.
Auf unserem Roadtrip wurden ganz andere Sachen wichtig, als man es im Alltag gewohnt ist. „Wo schlafen wir heute? Wo bekommen wir Essen und Trinken? Welche Route sollen wir nehmen? Wo können wir morgen radfahren? Oft sind wir stundenlang geradeaus auf einem Highway gefahren und hatten kein Internet – da kann man so richtig abschalten und das Leben entschleunigen.“
Ein Leben mit Sonnenlicht: Bei Sonnenaufgang im Auto aufwachen, bei Sonnenuntergang zu Bett gehen.
Ihre Reiseroute wurde vor allem durch die Auswahl der Nationalparks bestimmt. Den Grand Canyon kennt eigentlich jeder von Fotos, aber man kann kaum erahnen wie groß dieser eigentlich ist. „Wir hatten das Glück, dass wir mit dem Rad schon um 6 Uhr morgens in den Park konnten und wir im Prinzip die Einzigen waren. Die Straßen sind für Autos gesperrt und die Busse fahren erst später. “ Von den Hotels und Einkaufszentren rund um den Park bekamen Wolfgang und seine Freundin nichts mit, als sie alleine mit dem Rad unterwegs waren. Besonders begeistert hat Pushbiker Wolfgang auch der Bundesstaat Utah: „Utah hat mit Abstand die schönste und abwechslungsreichste Landschaft in der USA. Salzseen, hohe Berge oder diverse Canyons. Die Farben der Berge sind einfach toll!“. Im Monument Valley entstand ein Foto am bekannten „Forest Gump Spot“ , dem Punkt der Filmgeschichte, wo Forest Gump seinen Lauf beendet, umringt von trockener, roter Wüste.
Auch den legendären Pikes Peak mit seinen 4302 Meter in der Gebirgskette der Rocky Mountains fuhr Wolfgang mit seinem Wiawis Rad hoch. Im Jahre 1987 stürmte Walter Röhrl, wie Wolfgang ebenfalls Regensburger und Rennrad-Fan, mit seinem legendären Audi S1 den Berg in Rekordzeit – 36 Jahre später fuhr Wolfgang bergab die schnellste je gemessene Zeit auf Strava (siehe hier).
Ein kurzer Blick zurück auf die Nebensache: Rennen fahren. Denn auch während des Road Trips und in den letzten Wochen seiner USA Reise hat Wolfgang die Pushbikers in der amerikanischen Rennszene in sechs Bundesstaaten vertreten. Im Sommer, sagt er, finden in den USA die besten Rennen statt, und das Wetter ist einfach durchgehend gut. „Ich kann mich nicht erinnern ob ich überhaupt schon mal eine lange Hose getragen habe in den 10 Wochen“. Seine Leistung von der Tour of Americas Dairyland konnte er ausbauen. Beim Memorial Crit in Houston konnte er auf Platz zwei fahren, beim Kriterium der Driveway Series im texanischen Austin konnte Wolfgang zum Ende seines US Sommers noch einen Sieg feiern.
„Auf den Rennen habe ich eigentlich immer wieder die gleichen Rennfahrer getroffen, die über die Jahre zu Freunden geworden sind. Der Rennzirkus auf diesem Niveau kennt sich untereinander und man sieht sich über die ganze USA verteilt fast jedes Wochenende.“
Fazit.
Riding not for points and prizes, but for making memories.