Moritz x UCI Bahnrad Weltmeisterschaft

WELTMEISTER
ÜBER NACHT

Gold im Scratch. Platz 5 im Omnium. Platz 4 im Madison. Moritz Augenstein hat bei der UCI Weltmeisterschaft auf der Bahn in Santiago de Chile für Furore gesorgt. Er blieb realistisch, fokussiert, hat bei seiner ersten Weltmeisterschaft geliefert – und seine späte Nominierung eindrucksvoll untermauert.

Emotionalität, Aufregung, gar Überraschung? Fehl am Platz. Wer ihn gut kennt, der weiss, was er kann. Er selbst weiss, was er kann. Sein eigener Jubel nach dem Sieg beim Scratchrennen am zweiten Tag der Bahn WM war groß. Kraftvoll war er bis zum Schluss gefahren, von vorne, sogar eine Runde mehr als das Rennen eigentlich umfassen sollte. „Ich habe mich sehr gefreut“, sagt Moritz danach, und auch: „es hat sich angefühlt, als würde eine Last abfallen.“

Er wusste in Chile genau, was er tun muss. Und fuhr gleich bei seinem ersten Einsatz das Rennen seines Lebens.

EPISODE / 1

GOLD IM SCRATCH

Sein erster WM Auftritt – Moritz holt sich das Ding und wird Weltmeister. UCI Men`s Scratch Race World Champion.

Als Massenstart über 10 Kilometer ausgetragen, war in diesem Scratch Rennen unmittelbar klar: es wurde ein höllisches Tempo vorgelegt. Moritz fährt ein taktisch kluges Rennen, bewegt sich viel im Windschatten, positioniert sich gut in der vorderen Gruppe. Acht Runden vor Ziel setzt er eine erste Attacke, geht in die Führung und testet aus. Drei Runden vor Schluss ist es dann so weit: Moritz übernimmt erneut die Führung und gibt sie bis zu Ziellinie nicht mehr ab. Er muss einen langen Sprint fahren, zunächst noch mit Jules Hesters an seinem Hinterrad. Und er muss tatsächlich eine Runde länger fahren, denn die Glocke ertönt bei diesem Rennen zu spät. „Ich habe mitgezählt. Ich habe meinen Sprint so getimed, dass es für zwei weitere Runden reicht“. Moritz fährt von vorne und wird der erste deutsche Scratch Weltmeister seit Lucas Liss im Jahr 2015.

Auf den sozialen Medien ist man sich einig: Maschine. So verdient. Wahnsinn. Weltklasse.

Seine Goldmedaille wird das einzige Gold für German Cycling bleiben, neben Silber für die Frauen in der Mannschaftsverfolgung.

EPISODE / 2

PLATZ 5 IM OMNIUM

Scratch, Tempo-Rennen, Ausscheidungsfahren und Punktefahren – das Omnium hat es als Mehrfach-Rennen mit vier Disziplinen in sich.

Moritz zeigt sich nach einem Tag Pause erneut stark, und als amtierender Scratch Weltmeister nun auch unter Beobachtung. Er fährt im Temporennen als einziger einen Rundengewinn heraus, startet als Gesamtdritter mit sechs Zählern Rückstand auf Gold in das abschließende Punktefahren über 100 Runden. Früh glückten ihm ein Sieg im Zwischensprint sowie der wertvolle Rundengewinn. Zum Ende des Rennens liegt er auf Platz vier. Er versucht vor der alles entscheidenden Schlusswertung nochmal eine Lücke zu schließen, fährt Vollgas. „Guck dir das an, was Moritz Augenstein da macht, fährt glaube ich zum dritten oder vierten Mal hier voll durch“, kommentiert der Eurosport Sprecher vor dem Ertönen der Glocke. Für weitere Punkte in der Schlusswertung reicht es nicht und so fällt Moritz bei der letzten Wertung vom Podium runter.  Er kam nach den vier Teildisziplinen auf 127 Punkte, der Gesamt-Sieger Albert Torres auf 133 Punkte.

„Ich glaube, ich habe einfach im Rennen die falschen Entscheidungen getroffen“ sagt er später. „Von den Beinen her hatte ich es drin, vorne abzuschließen. Ich konnte es nicht umsetzen. Das es nicht geklappt hat, war enttäuschend für mich.“

EPISODE / 3

EINE BRONZE MEDAILLE, DIE AM ENDE KEINE WAR

Am finalen Abend der UCI Bahn Weltmeisterschaft gehörten Moritz und Roger im Madison zu den stärksten Mannschaften auf der Bahn. Sie waren spätestens ab der zweiten Rennhälfte auf Medaillenkurs, holten zwei Rundengewinne, jubelten im Ziel über Platz drei. Doch nach der Erkenntnis, dass auf der Anzeigetafel die falschen Punkte während des Rennens angezeigt worden waren, und nach Ergebniskorrektur fanden sich die beiden auf Platz 4 hinter den Madison Weltmeistern Fabio van den Bossche/Lindsay De Vylder, Großbritannien (Mark Stewart/Joshua Tarling) und Dänemark (Niklas Larsen/Lasse Leth) wieder.

Der dreimalige Madison-Weltmeister Roger Kluge hat nach seiner Rückkehr von den Bahnrad-Weltmeisterschaften mit ungewöhnlich deutlicher Kritik auf den Verlust des sicher geglaubten dritten Platzes in Santiago de Chile reagiert. «Das Fehlverhalten der UCI-Kommissare hat das Rennen klar beeinflusst und verfälscht. Das ist schlicht inakzeptabel und darf bei einer Weltmeisterschaft nicht unwidersprochen bleiben», schrieb der 39-Jährige bei Instagram. Für Roger Kluge und Moritz lässt sich der Moment nachverfolgen, an dem sie im Rennen die Medaille verpasst haben – weil sie laut Anzeige den Punktestand der Teams nicht richtig angezeigt bekamen. Das dänische Team fährt vorne weg, als die Engländer und auch die deutsche Mannschaft nach oben schwingen – da Kluge/ Augenstein zu diesen Zeitpunkt davon ausgehen, dass Dänemark 32 Punkte zurück lag. Zirka 75 Runden/ 18 Minuten vorher absolvierten die Dänen ihre zweite Runde, die noch nicht in die Punktewertung der Kommissäre hinzugefügt worden war. „Wenn wir, und sicherlich auch Team GB, gewusst hätten, dass Dänemark auch ca. 60 Punkte auf dem Konto hat, hätten wir Dänemark nicht 12 Runden vor Schluss ziehen lassen und die beiden Wertungssprints wären anders abgelaufen“, resümiert Kluge.

AFTERMATH

ZIELE & TECH TALK

Was ist der Fokus nach dieser WM? „Als Bahnradsportler ist Olympia das größte, was man fahren kann. “ Und so ist Los Angeles im Sommer 2028 auch Moritz` großes Ziel. Scratch ist dabei keine olympische Disziplin. „Ich schaue vor allem auf das Madison und die Mannschaftsverfolgung. Mit Tim Torn Teutenberg haben wir im Omnium einen sehr guten Kandidaten“ sagt er.

Zurück zur Weltmeisterschaft. Für viele bleibt die große Frage: Welchen Gang ist er gefahren? „Es kommt auf das Rennen an“, so Moritz im Podcast Besenwagen. Im Scratch waren es 68/15 – laut Umrechnung mit der Gang-Tabelle entspricht dies einer 51/11. „Ich bin potentiell immer der mit dem dicksten Gang.“

Credits

Photos — by Arne Mill (Farbe) und Maximilian Doernbach (s/w)

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